
Tempolimit-Statistik: Deutschland im Vergleich
Kaum ein verkehrspolitisches Thema wird in Deutschland so hitzig diskutiert wie das Tempolimit auf Autobahnen. Während andere europäische Länder wie Frankreich, Spanien und Österreich längst feste Obergrenzen eingeführt haben, bleibt Deutschland eines der letzten Länder ohne generelles Tempolimit auf Autobahnen. Befürworter argumentieren mit der Verkehrssicherheit und dem Klimaschutz – Kritiker hingegen mit individueller Freiheit und Zeitverlust. Aber was sagen die Zahlen wirklich?
In diesem Artikel der Allianz Direct Versicherung werfen wir einen datengestützten Blick auf die häufigsten Geschwindigkeitsüberschreitungen, deren regionale Unterschiede, die Anzahl und Dichte an Blitzern sowie auf Suchanfragen rund um das Thema Tempolimit. Ziel ist es, die Debatte mit aktuellen Statistiken und fundierten Fakten zu bereichern.
Geschwindigkeitsverstöße: Die wichtigsten Fakten
- Brandenburg ist das Bundesland mit den meisten Punkten für Geschwindigkeitsverstöße pro 1.000 Fahrer – 93,2 Punkte wurden hier im Jahr 2023 vergeben.
- Berlin weist mit 22,82 % den geringsten Anteil an Punkten für Geschwindigkeitsüberschreitungen von seinen gesamten Punkten auf.
- Die höchste absolute Zahl an Blitzern liegt in Baden-Württemberg mit 1.056 Radarfallen, gefolgt von NRW (923) und Hessen (640).
- Nordrhein-Westfalen sticht zusätzlich mit 714 besonders schweren Tempoüberschreitungen von über 70 km/h hervor – ein Spitzenwert im Bundesvergleich.
- Auch auffällig: In Schleswig-Holstein kam es im Jahr 2023 trotz geringer Blitzerzahl zu 330 illegalen Kraftfahrzeugrennen – das sind mehr als in Bayern, wo insgesamt 244 Fälle registriert wurden.
Tempolimit und Unfallstatistik
Die Debatte rund um ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist emotional und politisch aufgeladen. Fakt ist: Deutschland ist das einzige Land in Europa ohne generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Laut unserer Umfrage zum Thema Tempolimit befürworten 71 % der Deutschen eine Geschwindigkeitsbegrenzung, davon sprachen sich 39 % für ein Limit von 130 km/h bzw. 32 % für ein Limit von 140-150 km/h aus.
Auch die Unfallstatistiken werfen ein neues Licht auf die Diskussion. Im Jahr 2023 starben laut Statistischem Bundesamt insgesamt 2.839 Menschen bei Verkehrsunfällen – das sind durchschnittlich acht pro Tag. Besonders auf Autobahnen stiegen die Zahlen: 19.000 Unfälle mit Personenschaden (+7,5 %) und 302 Todesopfer wurden registriert. In 43 % der Fälle war überhöhte Geschwindigkeit die Hauptursache.
Zahlreiche Verbände – von der Deutschen Umwelthilfe bis zur Gewerkschaft der Polizei NRW – fordern deshalb ein sofortiges Tempolimit. Neben der Verkehrssicherheit verweisen sie auch auf das Klimapotenzial: Laut Umweltbundesamt könnten durch ein Tempolimit von 120 km/h jährlich 4,7 Mio. Tonnen CO₂ eingespart werden. Der ADAC hingegen bleibt neutral und verweist auf eine uneinheitliche Datenlage sowie den fehlenden internationalen Vergleich.
Durchschnittsgeschwindigkeit auf Autobahnen
Geschwindigkeitsüberschreitungen sind in Deutschland trotz der Diskussion um ein allgemeines Tempolimit weiterhin weit verbreitet – wenn auch mit differenziertem Bild. Eine aktuelle Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Selbst auf Autobahnabschnitten ohne Tempolimit fahren rund 83 Prozent der Autofahrer durchschnittlich langsamer als 130 km/h. Nur rund 10,5 Prozent liegen bei der Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 130 und 140 km/h. Die durchschnittliche Geschwindigkeit sinkt seit Jahren – von 116,5 km/h im Jahr 2021 auf zuletzt 113,5 km/h. Ursachen dafür sind u. a. zunehmend dichter Verkehr und mehr Baustellen. Viele Fahrer orientieren sich zudem bewusst an der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h, oft unterstützt durch Tempomat-Systeme.
Anders sieht es rund um Hotspots wie dem Nürburgring aus: In Regionen mit hochmotorisierten Fahrzeugen, wie bspw. der Eifel, wird das Thema zur realen Gefahr für Anwohner. Besonders junge Männer mit PS-starken Autos fallen laut Verkehrspsychologen durch riskantes Fahrverhalten auf – häufig aus einem Bedürfnis nach Anerkennung oder Selbstinszenierung heraus. Zwar reagiert die Polizei mit verstärkten Kontrollen, doch das Grundproblem bleibt: Die Faszination für Geschwindigkeit reicht bei manchen weit über die Rennstrecke hinaus – und endet leider nicht selten mit schweren Unfällen.
Ein Blick auf ältere Verkehrsstudien zeigt zudem: Auch in freier Fahrt überschreiten viele Autofahrer regelmäßig die Richtgeschwindigkeit. So lag etwa auf einem Abschnitt der A9 bei Niemegk die durchschnittliche Geschwindigkeit von Pkw bei 141,8 km/h, während auf einem Abschnitt der A10 mit Tempolimit 120 km/h im Schnitt nur 116,5 km/h gemessen wurde. Lkw fuhren dort im Durchschnitt 88 km/h, Busse 97,7 km/h. Besonders bemerkenswert: Auf der A9 überschritten über 60 % der Pkw-Fahrer die 130-km/h-Marke, mehr als 15 % sogar 170 km/h – ein deutliches Zeichen für das Potenzial ungebremster Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen.
Durchschnittsgeschwindigkeit nach Fahrzeugtyp im Vergleich: A9 (ohne Limit) vs. A10 (120 km/h Limit)

Raser-Punkte nach Bundesland

Ein Blick auf die Statistik der Allianz Direct Kfz-Versicherung für das Jahr 2023 zeigt deutliche Unterschiede bei den Punkten für Geschwindigkeitsverstöße zwischen den Bundesländern. Spitzenreiter ist Brandenburg mit 93,2 Punkten pro 1.000 Fahrer – ein Wert, der weit über dem Durchschnitt liegt und auf ein besonders hohes Maß an Geschwindigkeitsverstößen hindeutet.
Dicht dahinter folgen Rheinland-Pfalz (82,8 Punkte) und das Saarland (71,8 Punkte). Am unteren Ende der Skala liegen Berlin mit lediglich 16,8 Punkten sowie Sachsen (32,0) und Bayern (39,5).
Bei den besonders drastischen Tempoüberschreitungen von über 70 km/h führt Nordrhein-Westfalen mit 714 Fällen deutlich – trotz vergleichsweise moderater Punktzahl. Die Daten verdeutlichen, wie unterschiedlich sich das Fahrverhalten in Deutschland je nach Region gestaltet – sei es durch Infrastruktur, Verkehrsaufkommen oder Kontrolldichte.
Blitzerverteilung in Deutschland
Interessanterweise liegt Brandenburg zwar beim Thema Geschwindigkeitsverstöße pro Fahrer klar an der Spitze, gehört jedoch nicht zu den Bundesländern mit den meisten stationären Blitzern. Baden-Württemberg führt mit 1.056 Messanlagen, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Hessen. Brandenburg rangiert hingegen nur auf Platz 10, obwohl es beim Punktestand für zu schnelles Fahren bundesweit die rote Laterne trägt.
Dieses Missverhältnis zeigt: Nicht allein die Anzahl der Blitzer ist entscheidend, sondern auch ihre Platzierung – und wie das Fahrverhalten der Menschen in der Region ausfällt. So hat etwa Rheinland-Pfalz eine hohe Punktzahl (82,8) bei vergleichsweise wenigen Blitzern (31). Und in Nordrhein-Westfalen sorgt eine hohe Zahl an Anlagen (923) dennoch für unterdurchschnittlich wenige Punkte pro 100.000 Fahrer (44,8). Das bedeutet: Viele Blitzer ≠ viele Punkte – und umgekehrt.
Tempolimit und tödliche Unfälle
Die Frage, ob Tempolimits die Zahl der Verkehrstoten auf Autobahnen senken, wird seit Jahren kontrovers diskutiert – auch, weil die Datenlage komplex ist. Während einige Studien nahelegen, dass Tempolimits keine signifikante Reduktion der Todeszahlen bewirken, zeigen andere Untersuchungen klare Effekte. So verzeichnete etwa die A4 bei Dresden nach der Einführung eines Tempolimits von 100 km/h eine Halbierung der Unfallzahlen. Auch eine Auswertung des Unfallatlas ergab: Auf Abschnitten mit Tempolimit ereigneten sich 0,95 tödliche Unfälle je Milliarde gefahrener Kilometer – auf Abschnitten ohne Limit waren es 1,67, also rund 75 % mehr.
Tödliche Unfälle auf Autobahnen mit und ohne Tempolimit

Deutschland liegt mit 24 Verkehrstoten pro 1.000 Autobahnkilometer im europäischen Mittelfeld. Laut Statistischem Bundesamt kamen 2023 insgesamt 2.839 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, davon 842 durch unangepasste Geschwindigkeit, was bedeutet, dass 29,7 % der Verkehrstoten durch diese Ursache verunglückten. Ein Crashtest zeigt zudem: Schon ein Unterschied von 20 km/h kann über Leben und Tod entscheiden, da sich die Aufprallenergie stark erhöht.
Trotzdem ist ein Tempolimit nur ein Faktor unter vielen. Verkehrsdichte, Zustand der Infrastruktur, Witterung, Fahrzeugtechnik und menschliches Fehlverhalten spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Die Reduktion von Höchstgeschwindigkeiten – etwa auf Landstraßen – verspricht laut Unfallforschung sogar noch deutlich größere Effekte. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen bleibt somit ein Baustein im komplexen System der Verkehrssicherheit, aber kein Allheilmittel.
Umfrage zum Tempolimit
Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung befürwortet ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen – und die Zustimmung wächst seit Jahren. Laut einer aktuellen Statista-Umfrage aus dem Juli 2024 sprechen sich 42 % der Befragten klar für ein Tempolimit von 130 km/h aus, weitere 22 % sind eher dafür. Nur rund 36 % lehnen eine Geschwindigkeitsbegrenzung ab. Auch unter den ADAC-Mitgliedern ist die Zustimmung gestiegen: Anfang 2024 unterstützten 55 % ein Tempolimit, im Jahr 2020 waren es noch deutlich weniger. Der Trend zeigt: Die Debatte bewegt sich spürbar in Richtung Regulierung.
Gleichzeitig wird der politische Druck stärker. Ein breites Bündnis aus Umweltschützern, Verkehrsexperten und der Gewerkschaft der Polizei forderte im Sommer 2024 erneut eine gesetzliche Begrenzung – nicht nur für mehr Verkehrssicherheit, sondern auch aus Klimaschutzgründen. Während manche Organisationen sich für eine Obergrenze von 130 km/h aussprechen, gehen andere noch weiter und verlangen Tempo 100 auf Autobahnen, 80 außerorts und 30 innerorts. Die Argumente sind vielfältig: geringere Unfallzahlen, weniger Schwerverletzte, flüssigerer Verkehr und eine bessere CO₂-Bilanz. Doch trotz wachsender Zustimmung in der Bevölkerung bleibt das Thema politisch umstritten.
Tempolimit in Deutschland: Pro und Contra
Kaum ein verkehrspolitisches Thema polarisiert so stark wie das Tempolimit auf Autobahnen. Befürworter sehen darin eine einfache und wirkungsvolle Maßnahme für mehr Sicherheit, Klimaschutz und entspannteres Fahren. Studien zeigen, dass ein generelles Tempolimit die Zahl schwerer Unfälle deutlich reduzieren kann – auf limitierten Abschnitten kommt es laut Unfallatlas-Auswertung zu rund 75 % weniger tödlichen Unfällen. Zudem ließen sich laut Umweltbundesamt je nach Geschwindigkeit jährlich bis zu 6,7 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Auch Argumente wie geringerer Lärm, besserer Verkehrsfluss und wirtschaftliche Wohlfahrtsgewinne (z. B. durch weniger Unfälle und Kraftstoffverbrauch) werden häufig genannt.
Gegner hingegen argumentieren mit der individuellen Freiheit, einem geringen Klimaeffekt sowie der hohen Sicherheit von Autobahnen insgesamt. Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) sind Autobahnen bereits heute die sichersten Straßen – pro Milliarde Fahrzeugkilometer gibt es hier weniger Tote als auf Landstraßen mit Tempolimit. Zudem bezweifeln Kritiker, dass ein pauschales Tempolimit den Verkehrsfluss verbessern oder signifikant zur CO₂-Minderung beitragen würde. Stattdessen fordern sie flexible, situationsabhängige Tempolimits – etwa bei schlechten Wetterbedingungen oder an Unfallschwerpunkten.
Fazit zum Tempolimit: Eine komplexe Entscheidung
Die Diskussion um ein generelles Tempolimit in Deutschland ist komplex – ebenso wie die Datenlage. Während Befürworter auf mehr Verkehrssicherheit, Klimaschutz und Entlastung der Infrastruktur verweisen, betonen Gegner die hohe Sicherheit deutscher Autobahnen und den geringen Effekt auf Emissionen. Studien zeigen: Tempolimits können Leben retten, sind aber nur ein Baustein im Gesamtbild. Faktoren wie Straßeninfrastruktur, Verkehrsdichte und menschliches Verhalten spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Die Entscheidung für oder gegen ein Tempolimit bleibt daher eine politische und gesellschaftliche Abwägung – nicht nur eine rein technische.
Unsere Methodik
Für diesen Artikel haben wir von der Allianz Direct Versicherung sowohl primäre Datensätze zur Anzahl der Blitzer und Geschwindigkeitsüberschreitungen analysiert als auch eine Vielzahl offizieller und journalistischer Quellen herangezogen.
Dazu zählen unter anderem Daten des Statistischen Bundesamts, Studien des Umweltbundesamts, Auswertungen des Unfallatlas, sowie Umfrageergebnisse von Statista, dem ADAC und dem Meinungsforschungsinstitut Emnid. Ergänzt wurden diese durch qualitative Einschätzungen aus Fachartikeln von ARD, MDR, Spiegel und weiteren Medien. Ziel war es, ein möglichst umfassendes Bild über die Diskussion rund ums Tempolimit in Deutschland zu schaffen – mit Blick auf Sicherheit, Umwelt, gesellschaftliche Haltung und internationale Vergleiche.
Quellen
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258757/umfrage/umfrage-zum-tempolimit-auf-autobahnen/
- https://www.adac.de/verkehr/standpunkte-studien/positionen/tempolimit-autobahn-deutschland/
- https://www.spiegel.de/auto/tempolimit-gefordert-zahl-der-verkehrstoten-nach-oben-korrigiert-a-ee93c45c-3c65-467d-8a72-e2ca442ead52
- https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/thomas-puls-jan-wendt-83-prozent-der-autofahrer-fahren-langsamer-als-130-km-h.html
- https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/autofahrer-raser-nuerburgring-100.html
- https://en.wikipedia.org/wiki/Autobahn#:~:text=The%20results%20were%3A-,Average%20speed,110.1%C2%A0km/h%20(68%C2%A0mph),-At%20peak%20times
- https://www.tagesschau.de/faktenfinder/verkehrstote-europa-autobahnen-tempolimit-100.html
- https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/tempolimit-autobahn-hundert-unfaelle-halbiert-100.html
- https://de.statista.com/infografik/16765/todesrate-auf-europaeischen-autobahnen-je-1000-km-autobahn/
- https://www.focus.de/auto/aufprall-auf-stauende-erschreckender-crashtest-hier-entscheiden-20-km-h-ueber-leben-und-tod_id_4871249.html#:~:text=Bei%20dem%20Crash%2DTest%20zeigte,Insassen%20beider%20Fahrzeuge%20durchaus%20%C3%9Cberlebenschancen
- https://www.runtervomgas.de/ratgeber-und-service/unfallursachen/unangepasste-geschwindigkeit/#:~:text=Zu%20schnelles%20Fahren%20bleibt%20Ursache%20Nummer%20eins%20bei%20Unf%C3%A4llen%20mit%20Todesfolge.&text=Im%20Jahr%202023%20kam%20es,mit%20unangepasster%20Geschwindigkeit%20unterwegs%20waren.
- https://www.udv.de/udv/themen/unfallursache-geschwindigkeit-112632
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258757/umfrage/umfrage-zum-tempolimit-auf-autobahnen/
- https://www.spiegel.de/auto/tempolimit-gefordert-zahl-der-verkehrstoten-nach-oben-korrigiert-a-ee93c45c-3c65-467d-8a72-e2ca442ead52
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1423668/umfrage/meinung-zum-allgemeinen-tempolimit-auf-autobahnen/
- https://www.verti.de/ratgeber/tempolimit-pro-contra/
- https://www.vda.de/dam/jcr:8cb03dc5-93ce-4797-8d91-598350b412ef/VDA_5566_CD_2021_Position_Fakten_gegen_ein_generelles_Tempolimit_RZ.pdf?mode=view
- https://www.giga.de/artikel/autobahn-tempolimit-pro-und-contra-als-tabelle/