Lea Voitel ist Bloggerin und sie selbst sitzt im Rollstuhl. In ihrem Blog schreibt sie zusammen mit Björn Giese über ihre Reisen an viele Orte, Aktivitäten im Rollstuhl, die man unbedingt ausprobieren sollte und viele, weitere Themen des Alltags. Für unseren Ratgeber zum Thema „Mobilität für Menschen mit Behinderung“ hat sie ein paar unserer Fragen beantwortet.
Du schreibst selbst, dass es dein erklärtes Ziel ist, Menschen mit Einschränkungen zum Thema „Aktivität und Mobilität“ mit Informationen zu versorgen. Daher unsere Frage an dich: Welche Sportart sollte man unbedingt ausprobiert haben?
Ich interessiere mich hauptsächlich für „Rollstuhlsportarten“, da es dort neben dem Sport noch einmal mehr die Gemeinschaft und der Zusammenhalt eine Rolle spielt. Inklusion wird hier ganz einfach gelebt, ohne großartig Worte darüber zu verlieren! Eine Zeit lang habe ich selbst E-Hockey (Hockey im E-Rollstuhl) gespielt. Diese Sportart ist für Menschen mit schweren, körperlichen Einschränkungen gedacht und lässt diese nochmal auf eine ganz andere Art und Weise am Leben und auch am Sport teilhaben. Das finde ich großartig! Sehr gerne sehe ich mir aber auch Rollstuhlbasketball an, da geht es ordentlich zur Sache und ich zelebriere diese Sportart auch ganz regelmäßig mit meinen Freunden, da viele von ihnen diese Sportart auch selbst betreiben. Rollstuhlbasketball sollte man also, auch ohne Behinderung, unbedingt Mal ausprobiert haben! Wer als Rollstuhlfahrer eine gute Alternative zum Joggen sucht, sollte bei der Krankenkasse ein Handbike beantragen. Ich versuche, seitdem ich im schönen Potsdam lebe, das Handbikefahren fest in meinen Alltag einzubauen. Es hilft der körperlichen und mentalen Stärke ungemein.
Du bist schon an vielen Orten in Europa gewesen – Hamburg, Prag oder London um nur einige zu nennen. Welches Erlebnis während deiner Reisen hast du besonders positiv in Erinnerung?
Das ist eine sehr schwierige Frage, denn ich hatte schon viele wahnsinnig tolle Erlebnisse auf Reisen: London ist eine unheimlich attraktive und coole Stadt, die dich immer wieder staunen lässt. Prag, Amsterdam und Wien sind schöne Städte voller Kultur und Geschichte. Doch Erlebnisse, die besonders herausstechen, sind zum einen die Inseltour auf Teneriffa, die wir mit dem privaten PKW, im Sommer 2018, bis hin zum Teide gemacht haben und zum anderen der Besuch der historischen Universität in Coimbra (Portugal). Hier war es ein bisschen wie in Hogwarts, der Zauberschule aus Harry Potter und man konnte zwischen all den prachtvollen Gebäuden kurz in eine andere Welt eintauchen und davon träumen, selbst einmal hier zu studieren.
Du bist dank deinem E-Rolli, der Hilfe deiner Liebsten und den öffentlichen Verkehrsmitteln mobil und unternehmungslustig, darfst aber aufgrund deiner Diagnose kein Auto fahren – was bedeutet Mobilität für dich?
Mobilität bedeutet höchstmögliche Selbstbestimmung! Zu bestimmen, wann man wie schnell wohin möchte und dank moderner Hilfsmittel diesen Prozess oft auch ganz selbstständig und alleine bewältigen zu können, das ist ein sehr hohes Gut. Kein Mensch ist tatsächlich unabhängig, doch durch die mir über die Jahre erarbeitete Mobilität fühlt es sich in manchen Momenten doch so an. Dadurch, dass ich selbst Bus oder Bahn fahren kann, führe ich ein sehr aktives Leben, gehe zum Sport, bin erfolgreich auf der Arbeit und treffe mich mit Freunden und Familie. Autofahren könnte ich mit sehr viel Mühe zwar vielleicht lernen, doch ist es mit einer spastischen Tetraparese eher gefährlich als alles andere. Mit der Nähe zu Berlin und dem sehr gut ausgebauten Personennahverkehr besteht außerdem auch gar nicht so sehr die Notwendigkeit, unbedingt Auto fahren zu müssen.
Worin siehst du noch die größten Barrieren und Herausforderungen auf dem Weg zu einer vollkommenen Mobilität für alle?
Die größte Barriere ist, so denke ich, die so vielen nicht barrierefrei zugänglichen Informationen. Wer die Informationen, die er braucht, nicht bekommen oder verstehen kann, weil die Braille-Schrift, die Gebärdensprache etc. fehlt, der wird sich wohl schlecht informiert nicht auf den Weg machen und großartig lange Strecken mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Ein weiteres Problem ist, dass wir technisch gesehen in Deutschland noch bei weitem nicht auf dem gleichen Level sind: In manchen Städten gibt es Ampeln mit akustischem Signal, in anderen wieder nicht oder sie sind defekt. Mir als Rollstuhlfahrerin fällt natürlich auch auf, dass Bahnsteige und/oder Züge immer wieder ganz verschiedene Höhen haben und so das Einsteigen oft schwierig oder nicht möglich ist. Warum gibt es hier noch keine einheitliche Regelung? Auf diese Art und Weise wird man nämlich ganz erheblich in der Mobilität eingeschränkt. Solange sich nicht alle Bundesländer gleichermaßen für das Thema „Mobilität für alle“ einsetzen, klare und strenge Regelungen mit einheitlicher Norm durch-und umsetzen, investieren und das Thema auf ihrer Prioritätenliste deutlich höher hängen, wird sich leider in naher Zukunft nicht allzu viel ändern …
Welche konkreten Wünsche hast und welchen Verbesserungsbedarf siehst du bei den öffentlichen Verkehrsmitteln?
Es sollte definitiv mehr, oder besser ausschließlich, ebenerdige Einstiege in Bus, Bahn, Zug etc. geben. Die Fahrer*innen sollten besser geschult werden und rücksichtsvoller im Umgang mit Menschen mit Behinderung sein. Rollstuhlfahrer*innen dürfen von den Bussen oder Bahnen nicht mehr stehen gelassen werden, nur, weil Fahrer*innen gerade keine Lust haben, für ein paar Minuten länger anzuhalten und Hilfestellungen beim Einstieg zu leisten. Menschen mit Einschränkungen aller Art sollten sich nicht ewig im Vorfeld anmelden müssen, nur, weil sie eine Bahnfahrt machen wollen. Wo bleibt hier die Gleichberechtigung? Stattdessen sollte lieber mehr Personal eingestellt oder Züge von vornerein ebenerdig gebaut werden, um auch wirklich möglichst alle Bedarfe zu decken.
Wir bedanken uns für die Beantwortung der Fragen und wünschen Lea und Björn alles Gute und viele weitere tolle Reisen voller neuer Eindrücke!